Es riecht ein bisschen muffig in diesem kleinen, sterilen Büro am Ende des Ganges. Nach Büro eben. Ein Hauch von konservativ, unflexibel und altbacken. Eben so, dass man innerlich immer ein bisschen steif wird, wenn man so eine Bank betritt, die es dort in meinem Heimatort schon gibt, seit ich denken kann.
Der Bankberater ist sehr bemüht und freundlich, bietet mir einen Kaffee an, aber ich lehne dankend ab. Schließlich bin ich bereits schwanger. Er ist betroffen, denn er mochte meine Mutter sehr. Das macht es irgendwie nicht leichter. Ich atme tief und versuche, nicht zu weinen. Tue stark. Wie die ganzen letzten Monate auch.
Ich werde unruhig. Ich möchte die Papiere einfach nur schnellstmöglich loswerden, die den Tod meiner Mutter bezeugen und mir vor Augen halten, dass die Schwangerschaft schon jetzt von einem großen Schatten begleitet wird. Sie werden sich nie begegnen, schießt es mir immer wieder durch den Kopf.
Der Bankberater drückt mir einen riesigen Stapel Papier in die Hand. Ein Fragebogen, in dem ich Auskunft geben soll, wie risikofreudig ich beim Investieren bin. Als ob ich jemals irgendwo investiert hätte. Ich fühle mich überfordert und hilflos. Gerne würde ich jetzt meine Mutter fragen, was ich ankreuzen soll. Eigentlich möchte ich einfach nur diesen Haken auf meiner Liste machen, weil ich unbedingt den ganzen Nachlass geregelt haben möchte, bevor meine Tochter kommt. Und auch, weil ich eigentlich ganz schnell wieder so tun möchte, als wäre alles ganz normal. Wir haben uns einfach länger nicht gehört, meine Mutter und ich.
Nein, zu viel ist passiert, ignorieren kann ich ihren Tod nicht. Das Geld allerdings schon. Also beeile ich mich mit all dem Papierkram und schaffe alles in kürzester Zeit bei, was benötigt wird. Als der Bankberater mir zu verstehen gibt, dass er noch nie so schnell die Nachlassunterlagen von jemandem bekommen hätte, schießt mir der Gedanke durch den Kopf, dass er mich jetzt wohl für geldgierig hält.
Als ich die Bank verlasse bin ich ein bisschen erleichtert. Aber wie es weiter geht, weiß ich in dem Moment nicht. Ich bin überfordert. Wie soll ich so viel Geld verwalten, wenn ich sowas noch nie getan habe? Woher soll ich wissen, was ich damit machen soll? Und habe ich das Geld überhaupt verdient? Schließlich habe ich es nicht (selbst) verdient. Ich beschließe, es erstmal dort zu lassen, wo es ist.
Das Geld das nicht meins ist
In den darauf folgenden Monaten schaffe ich es fast erfolgreich, das Geld zu ignorieren. Fast, denn irgendwie hängt es mir doch im Nacken. Es ist da und irgendwie doch nicht. Es ist nicht meins und ich habe es auch eher unfreiwillig bekommen. Wenn meine Schwester und ich darüber reden sprechen wir noch jahrelang von „Mamas Geld“. Es ist wie etwas, das nicht wirklich zu mir gehört.
Den ersten Schritt raus aus der Starre kann ich machen, als wir Monate später dabei sind Babysachen und ein größeres Auto anzuschaffen. Da die Sachen nicht wirklich für mich sind, fällt es mir leichter, beim Bankberater anzurufen und ihn zu bitten, etwas von den Fonds zu verkaufen. Dennoch habe ich in den darauffolgenden Jahren immer ein schlechtes Gewissen, wenn ich bei ihm Geld anfordere.
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